Dr. Christean Wagner auf dem CDU-Bundesparteitag

 

 

Rede von Christean Wagner, Mitbegründer des Berliner Kreises,

auf dem CDU-Bundesparteitag

26. Februar 2018

 

Liebe Parteifreunde,

 

I. Fast auf den Tag genau bin ich seit 50 Jahren als CDU-Mitglied unserer Partei treu geblieben. Das wird auch so bleiben. In diesen 50 Jahren hat es für die Union Höhen und Tiefen gegeben. Aber immer hat sie sich neuen Herausforderungen gestellt und für das Wohl unseres Landes strategische Entscheidungen getroffen, häufig gegen den erbitterten Widerstand der SPD – von der Einführung der sozialen Marktwirtschaft über den Beitritt zur Nato bis hin zur Wiedervereinigung.
II. Hierauf können wir stolz sein. Die gegenwärtige Lage aber erfüllt mich mit Sorge. Bei der letzten Bundestagswahl am 24. September 2017 hat die Union mit 32,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis nach 1949 erzielt. Die CDU selbst hat in den 15 Bundesländern außerhalb Bayerns nur 26,9 Prozent erreicht. Diese nüchternen Zahlen können uns nicht ruhig schlafen lassen! Sie schreien nach Aufklärung der Ursachen, wenn unsere Partei uns am Herzen liegt. Sie schreien doch förmlich nach einer Fehleranalyse, nach einer Antwort auf die Frage, was haben wir falsch gemacht, wo müssen wir uns korrigieren. Da reicht eine zweieinhalb Monate nach der Wahl stattgefundene Diskussion im Bundesvorstand nicht aus. Und die Erklärung, wir wüssten nicht, was wir falsch gemacht hätten, erzeugt Verständnislosigkeit beim Bürger. Ein unkritisches „Weiter so“ führt in die Sackgasse.

Diese meine Feststellung ist keine Einzelmeinung. Die für uns vernichtenden Schlagzeilen der bürgerlichen Presse, nämlich in der „FAZ“, in der „Welt“ und im „Handelsblatt“ zur Lage unserer Partei sprechen eine deutliche Sprache. Auch sollten wir doch ernst nehmen, was uns verdienstvolle Parteifreunde und langjährige Verantwortungsträger wie Volker Rühe (CDU-Generalsekretär und Bundesverteidigungsminister), Roland Koch (Ministerpräsident und stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender) und Friedrich Merz (Vorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfraktion) in diesen Tagen in teils dramatischen Appellen sagen.

 

III. Nach meiner Überzeugung liegen die Ursachen für das katastrophale Wahlergebnis im Folgenden begründet:
Laut Umfrage war Hauptmotiv für das Wählerverhalten die Flüchtlingskrise und der Umgang mit ihr. Es sind in der Bevölkerung Überfremdungsängste entstanden. Es verunsicherte die Menschen, dass massenhafte unkontrollierte Einwanderung stattfand, dass viele Migranten zwar keinen Pass, dafür aber das neueste Handy besaßen, dass sie häufig falsche Angaben über ihre Herkunft und ihr Lebensalter machten und dass im Zuge des Migrantenzustroms die Kriminalität anstieg.
Ein nicht geringer Teil der Anhängerschaft der Union war außerdem irritiert über die Art und Weise, wie die „Ehe für alle“ zustande kam und dass die Union trotz einer großen relativen Mehrheit in der Bundesversammlung das Amt des Bundespräsidenten der SPD überließ. Die Aussetzung der Wehrpflicht und die anhaltenden ökonomischen Folgen der überstürzten Energiewende haben ein Übriges getan.
Die Union hat in den letzten Jahren rechts Platz gemacht und unzweifelhaft hiermit einen Beitrag zum Entstehen der AfD geleistet. Die Wählerwanderung vom 24. September weist aus, dass von ehemaligen Unionswählern neben 1,5 Mio, die zur FDP  gegangen sind, 1 Mio ihre Stimme der AfD gegeben haben. Unter diesen Wählern befinden sich viele wirtschaftsliberale und wertkonservative Bürger. Diese wieder zurückzuholen, muss unser ganzer Ehrgeiz sein! Deshalb ist es auch nicht klug, zu erklären, das Konservative gehöre nicht zum Markenkern der Union. In der Präambel unseres Grundsatzprogramms heißt es: „In der CDU sind auch heute die politischen Strömungen lebendig, aus denen sie nach 1949 entstanden ist: die christlich-soziale, die liberale und die wertkonservative.“ Wichtig ist nicht die Begrifflichkeit, ob wir nämlich von Wurzeln, Markenkern oder Strömungen sprechen, wichtig ist doch, dass auch das Wertkonservative bedeutender Bestandteil unseres CDU-Programms ist und wir konservative Anhänger nicht vor den Kopf stoßen.

Ein kurzes Wort zum Konservativen: Der Konservative verteidigt nicht das Bestehende, sondern das Bewährte. Für ihn ist nicht dasjenige Fortschritt, was heute nur schlicht anders ist als gestern. Fortschritt ist für ihn das, was heute besser ist als gestern. Lassen sie mich nur auf ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte hinweisen: In den 80er Jahren nahm die Bereitschaft der westdeutschen Öffentlichkeit ab, das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes ernst zu nehmen. Führende Repräsentanten der SPD und der Grünen -unter ihnen Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Joschka Fischer – lehnten die Deutsche Einheit mit scharfer Polemik ab. In einer Erklärung vom September 1989 hieß es, dass außer den deutschen Konservativen die Deutsche Einheit niemand wolle. Es war damals Ausdruck konservativer Gesinnung von Helmut Kohl und der Union, an der Wiedererlangung der Deutschen Einheit – wie wir wissen – mit Erfolg festzuhalten.

 

IV. Mit Missverständnissen aufräumen:
Niemand braucht uns zu sagen, wir wollten zu alten Zeiten zurück. Das ist Unsinn! Wir wollen wieder zu besseren Wahlergebnissen zurück. Uns treibt die Sorge um die Zukunft unserer Partei. Das ist unser Beweggrund.
Wenn an der Parteiführung Kritik geübt wird, wird sofort die Geschlossenheit der Partei angemahnt. Ich halte es da mit unserem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog, der vor knapp zwei Jahren Folgendes formuliert hat: „Wer Parteien revitalisieren will, braucht den offenen Diskurs. Der braucht eine Debattenkultur, die Meinungspluralität ernst nimmt. Wähler gewinnt man zurück, indem man auch in den etablierten Parteien wieder streitige Debatten führt.“
Es wird aus unseren Reihen zuweilen vor einem Rechtsruck der Union gewarnt. Das ist großer Unsinn! Das Gegenteil ist doch der Fall: Wir müssen verhindern, dass die CDU nach links rückt und rechts Platz macht.
Lassen Sie uns in der politischen Analyse nicht in den Fehler verfallen, unsere Stärke aus unserem Abstand zur SPD zu definieren. Das greift zu kurz. Mit einem Unions-Wahlergebnis von den üblichen 40 Prozent plus X hätten wir die heutigen Instabilitäten bei der Regierungsbildung nicht zu beklagen.
Vor uns liegt ein großes Arbeitsfeld. Die künftige Generalsekretärin kommt mit einem guten Ruf als Saarländische Ministerpräsidentin in das Konrad-Adenauer-Haus. Sie wird die Flügel unserer Partei wieder beleben müssen. Sie wird darauf achtgeben, dass sie nicht als stellvertretende Regierungssprecherin in Erscheinung tritt. Ihre Aufgabe ist es viel mehr, für christlich-demokratische Inhalte und Ziele erfolgreich zu werben, den Mitgliederrückgang umzukehren in Mitgliederzugewinn und ihren Beitrag dazu zu leisten, dass die Union bei Bundestagswahlen wieder Ergebnisse von 40 Prozent plus X schafft. Dies ist meine Hoffnung! An diesem Ziel wollen wir mit all unserer Kraft arbeiten.

 

Gemeinsame Veranstaltung des Berliner Kreises und der WerteUnion

am Samstag, den 11. November 2017 in Wiesbaden mit Vorträgen von Prof. Dr. Werner J. Patzelt und Rainer Wendt.

 

 

Foto: TU Dresden

 

 

 

 

 

 

Wolfgang Bosbachs Vortrag zur Inneren Sicherheit beim Arbeitstreffen des Berliner Kreises am 3. Juni 2017 im Reichstag können Sie sich unter folgendem Link anschauen:

https://www.youtube.com/watch?v=Cch7sOcWm4w