Positionspapier des Berliner Kreises zu den
Koalitionsverhandlungen mit der SPD
1. Januar 2018
Eine erneute Koalition mit der SPD enthält für unser Land und für die Unionsparteien nicht unerhebliche Risiken. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass fast die Hälfte der Delegierten des SPD-Bundesparteitages eine Regierungsverantwortung entschieden ablehnt.
Mit einem solchen Partner ist dauerhaft eine stabile Regierung kaum zu führen. Hinzu kommt die Ungewissheit, ob die SPD-Mitgliederbefragung überhaupt eine Zustimmung zu einer Großen Koalition erbringen wird. Darüber hinaus lassen die ständigen Forderungen der SPD, Nachbesserungen durchzusetzen, an der Verlässlichkeit der Sozialdemokraten als Regierungspartner zweifeln. Daher darf eine Große Koalition nicht als „alternativlos“ bezeichnet werden.
Im Falle eines Scheiterns der Koalitionsverhandlungen ist die Bildung einer Minderheitsregierung eine ernstzunehmende Möglichkeit. Sie wäre allemal besser als Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt. Diese würden das gegenwärtige Dilemma derzeit nicht beseitigen und sogar noch zu einer Stärkung der Linkspartei und der AfD führen.
Im Übrigen ist nicht erkennbar, mit welchem Konzept die Union eine Wiederholung des katastrophalen Wahlergebnisses vom 24. September 2017 verhindern will.
Der Berliner Kreis betrachtet im Hinblick auf das Sondierungspapier die bisherigen Ergebnisse schon jetzt als ein erhebliches Entgegenkommen der Unionsparteien. Bei einer Reihe von Themen ergibt sich außerdem die Notwendigkeit, im Rahmen der Koalitionsverhandlungen christlich-demokratische Positionen deutlicher zu artikulieren.
Besonders in der Europapolitik sind bei den Sondierungen zum Teil irritierende Weichenstellungen formuliert, die nicht im deutschen Interesse liegen. Eine Schuldenunion lehnen wir ab. Eine gemeinsame europäische Einlagensicherung, bei der deutsche Sparer zum Beispiel für Konten in Griechenland und Portugal haften, sehen wir ebenso kritisch wie die Konzeption eines Eurozonen-Budgets oder eines Euro-Finanzministers.
Ein europäischer Währungsfonds enthält unüberschaubare Risiken. Ein entsprechender Vorstoß würde eine schwere Gefahr für solide öffentliche Finanzen bedeuten, ganz unabhängig davon, dass solche weitreichenden Schritte der Beratung im Bundestag, der Genehmigung durch das Parlament und der Änderung der bestehenden Europäischen Verträge bedürfen.
Grundsätzlich muss wieder gelten: Jedes Land der Eurozone und der europäischen Gemeinschaft muss seinen Staatshaushalt selbst in Ordnung bringen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Landes durch umfassende Reformen sichern.
Deutsche Sparer haben durch die EZB-Hilfsmaßnahmen allein bis Jahresende 2017 ganz erhebliche Zinsverluste hinnehmen müssen. Hierdurch ist auch das gesamte System der Altersvorsorge mittelfristig ins Wanken geraten.
Schließlich sind die deutschen Target-Forderungen – das Abwicklungssystem für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr in Europa – auf 907 Milliarden Euro angestiegen und werden in diesem Jahr die Grenze von einer Billion Euro durchbrechen.
Die Dimension dieses zinslosen, ungesicherten und unlimitierten Kredits an die anderen Zentralbanken im Eurosystem macht Deutschland im hohen Maße abhängig von unsolider Haushaltspolitik anderer EU-Mitglieder. Die Bundesregierung muss deshalb darauf drängen, dass die EZB eine Trendwende in ihrer Geldpolitik einleitet. Der Berliner Kreis fordert die konsequente Rückkehr zu den Kriterien des Maastricht-Vertrages.
Die in dem Sondierungspapier angedeutete Machtverschiebung hin zum Europäischen Parlament zu Lasten der Souveränität der Mitgliedsstaaten bedarf der Klarstellung: Keine Vereinigten Staaten von Europa, sondern eine europäische Gemeinschaft der Vaterländer.
In der Finanzpolitik einer zukünftigen Koalition ist das Erreichen einer „Schwarzen Null“ im Bundeshaushalt wenig ehrgeizig. Es reicht angesichts hoher Steuereinnahmen nicht, keine neuen Schulden mehr zu machen. Es müssen vielmehr im Interesse unserer Kinder die alten Schulden Schritt für Schritt abgebaut werden. Daher sollen die Mehreinnahmen beim Steueraufkommen zu je einem Drittel für Schuldenrückführung, Steuererleichterungen und Investitionen in die Infrastruktur verwendet werden.
Nicht akzeptabel ist der derzeitige Zustand der Bundeswehr und deren Fähigkeit zur Verteidigung unseres Landes. Unstrittig ist, dass die europäischen Staaten insgesamt einen deutlich stärkeren Beitrag dazu leisten müssen, die eigene Sicherheit militärisch zu gewährleisten. Dies gilt auch für Deutschland. Der Beschluss der NATO-Staaten, dass jedes Mitgliedsland zwei Prozent des BIP für Verteidigungskosten bereitzustellen hat, ist von einer neuen Bundesregierung zügig umzusetzen. Das bedeutet konkret eine Erhöhung der Mittel für die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes. Besonders sind dabei die in jüngster Zeit bekanntgewordenen Mängel bei Ausrüstung und Technik (Hubschrauber/U-Boote) schnell zu beheben.
Besonders kontrovers sind die Positionen der Union und der SPD bei den Themen Flüchtlingspolitik und Integration. Kein Thema bewegt die Menschen in Deutschland auch jetzt noch so sehr wie die Folgen der Flüchtlingskrise. Nach Zahlen des Bundeskriminal-amtes wurden allein im Jahr 2016 mehr als 170.000 Straftaten registriert, die von Menschen begangen wurden, denen unser Land Schutz und Sicherheit gewährt.
Eine ausnahmslose Identitätsfeststellung für jeden Flüchtling und Migranten ist für uns ebenso unabdingbar wie in Zweifelsfällen die Altersfeststellung. Die von der SPD darüber hinaus ins Gespräch gebrachte Aufweichung beim Familiennachzug lehnen wir entschieden ab. Der Familiennachzug muss weiterhin ausgesetzt bleiben und nur in Härtefallen, wie im Sondierungspapier vereinbart, möglich sein.
Solange die EU-Außengrenzen durchlässig sind, bedarf es einer Sicherung der nationalen Grenzen gegen unkontrollierten Zuzug.
Die neue Bundesregierung muss gemeinsam mit den Bundesländern Konzepte entwickeln, die eine zügige Abschiebung aller rechtskräftig abgelehnten Asylbewerber ermöglicht.
Zu den Themen, bei denen in den Koalitionsverhandlungen die Handschrift der Union klar erkennbar sein muss, gehört eine Familienpolitik, die die freie Entscheidung der Eltern, wie sie ihre Kinder erziehen wollen, respektiert. Ob Eltern selbst zu Hause erziehen oder für ihre Kinder eine Betreuung durch Dritte in Anspruch nehmen wollen, müssen sie selbst entscheiden können, ohne finanziell benachteiligt zu werden.
Ein inhaltlich ausgewogener Koalitionsvertrag hat die Größenverhältnisse der beiden möglichen Partner zu beachten. Wer wie die SPD nur 20 Prozent der Wähler repräsentiert, kann nicht ernsthaft in einem Koalitionsvertrag alle seine wesentlichen politischen Ziele durchsetzen wollen.